Typisch Ruhrpott oder von wegen, alles nur grau hier!

23. April 2020

Als Kind des Ruhrgebiets bin ich damit groß geworden, dass sich um unsere schöne – nicht glatt geschliffene, sondern schön eckige und kantige – Region keine weichgespülten Mythen, sondern hartnäckige Vorurteile ranken! Bei alljährlichen Familienurlauben im Schwäbischen wurden wir zwar für unser „reines Hochdeutsch“ gelobt, aber damit hatte es sich dann auch an Lobhudelei.  

Spätestens mit Aufnahme des Studiums außerhalb des Ruhrgebiets war klar: Einige Vorstellungen über uns sitzen in anderen Landesteilen, sogar des eigenen Bundeslandes, wirklich tief. Dreckig und grau war nur eines davon, die Menschen immer so direkt und unfreundlich ein weiteres. Vom übertriebenen Fußball-Kult, den omnipräsenten Trinkhallen, an denen zu jeder Tages- und Nachtzeit trinkende Ruhrpottler im „Unnahemd und Joggingbuchse“ stehen, ganz zu Schweigen. Auch wenn sich das Bild vom Ruhrgebiet schon vielerorts gewandelt hat, so wie die Region selbst auch, wird es doch Zeit, mal einigen Vorurteilen gesondert auf den Zahn zu fühlen. Weil hier nämlich nicht nur „“Samma, wo gehse?“ „Pommes.“ Herrscht! 😉

Treffpunkt zum Quatschen, Klönen und Sorgen abladen… Unsere Buden © Lamozik

Der Dialekt – Hier redet jeder frei Schnauze 

Vorweg: Datt stimmt! Und es ist eigentlich ja auch richtig genial, wenn Du eine direkte Rückmeldung bekommst, oder? Hier tragen wir unser Herz auf der Zunge, und wenn jemand richtigen Blödsinn verzapft, dann erfolgt die Antwort prompt und ohne Umschweife – das kann für Außenstehende oder Zugereiste hart wirken, ist aber eigentlich nur ehrlich! „Erzähl nich son Kokolores“ ist da noch harmlos – auf Widerspruch kommt dann gern noch „Hömma, gezz ist abba Schicht im Schacht“, spätestens dann solltet Ihr überlegen, ob Widerrede noch sinnhaft ist. 😉 Wir können aber auch „watt Liebes“ auf pott sagen – „komma kuscheln Schnubbelmäusken“ ist doch herzerwärmend oder? Bei einer Nacht in den Städten unserer Region werdet Ihr sicher über die ein oder andere Redewendung stolpern! Und mal ganz davon ab: Hochdeutsch kann ja jeder und erst ein Dialekt macht doch eine Region so richtig sympathisch, oder? 

Ruhrpottdialekt für Zuhause - Poster mit Ruhrpottwörtern

Ruhrpottdialket für „anne Wand“

Die Kleidung – ist die Jogginghose dem Ruhri seine Tracht? 

Klar, wer kann sich nicht gut vorstellen, den Tag in schlabberiger Jogginghose und Feinripp zu verbringen. Aber so vor die Tür? Das ist nur für die wenigsten eine gute Idee – auch hier im Ruhrpott nicht. Lediglich im „Schrebbagaten“ ist das eine angemessene Kluft – ansonsten haben wir hier mittlerweile kultige Shops und Labels, die aus unserer ganz besonderen Vergangenheit die ein oder andere modische Zauberei kreieren und damit sogar mittlerweile international erfolgreich sind. Da werden T-Shirts mit original Grubenhemd-Anteil verkauft, gehen Rucksäcke im Style schwedischer Kultbags mit hitverdächtigem Grubenjunge / Mädel-Aufdruck über die Ladentheke, werden Hoodies und Beanies mit zackigen Pottsprüchen in diverse Online-Shopping-Einkaufswägen gelegt! Und mal ganz davon ab ist die Jogginghose ja mittlerweile auch wieder zum It-Piece avanciert – wir sind also quasi modischer Tonangeber! 😉 

Dem kleinen Mann sein Garten – kennt der Ruhri nur den Schrebergarten in seiner Freizeit? 

„Hast im Schrebergarten Deine Laube“, so lautet eine Zeile der heimlichen Ruhrpott-Hymne „Bochum“ von Herbert Grönemeyer. Ja, es stimmt, viele Menschen im Ruhrgebiet haben in Ermangelung eines eigenen Gartens eine entsprechende Laube angemietet und halten sich dort nach Feierabend oder an den Wochenenden auf. In Vereinen organisiert und gärtnerisch durchaus ambitioniert. Auch das ist mittlerweile wieder trendy, Stichwort „Eigenanbau“! Wer sich selbst mit Obst und Gemüse saisonal versorgen kann, ist klar im Vorteil. Hier treffen sich aber nicht nur die „Herbert Knebels“ unter den Ruhris, auch Familien mit Kindern sind mittlerweile gut integriert. Was dem Berliner seine Datsche ist, ist eben dem Ruhrpottler sein Schrebergarten. Herrlich anzusehen sind die verschiedenen Kolonien übrigens vom Rad aus – einige bieten ja sogar eine Versorgungsstation in Form eines Vereinsheims an (derzeit wegen Corona natürlich nicht), so dass man sich hier auch gut auf ein Päusken niederlassen kann.
Aber: Der Schrebergarten ist natürlich nur ein Teil der Draußen-Kultur im Ruhrgebiet. Wir treiben uns auch sehr gern an den zahlreichen Seen, Flüssen, auf unseren Bergen oder in unseren Wäldern herum, um unsere Freizeit in der Natur zu verbringen! Wie so oft: Die Mischung macht’s!
 

Dem Ruhri seine Limo ist das Bier

Natürlich ist da nicht nur ein Fünkchen Wahrheit dabei! Da fast jede Stadt ihre eigene Brauerei hat und Dortmund als Bierhauptstadt im Pott gilt, kann man leicht meinen, dass das flüssige Gold hier nicht nur zum Genuss konsumiert wird, sondern eine Art isotonisches Erfrischungsgetränk ist und damit zu (fast) allen Tages- und Nachtzeiten getrunken wird! Stauder, Fiege, Bergmann, König und wie sie alle heißen sind natürlich köstlich und müssen in jedem Fall durchprobiert werden (lest dazu meine Tipps aus dem Bierartikel) – ganz zu schweigen von den vielzähligen kleinen Brauerei-Bieren, aber hier gibt es auch durchaus Wein-Freunde und sogar entsprechende Festivals dazu. Auf den Gourmetmeilen, dem „Weine vor Freude“-Festival und bei anderen Festivitäten geht auch die „Traubenbrause“ flüssig über die Theke. Cocktail- und andere Bars sprechen ebenso eine andere Sprache.

Selbstverständlich gibt es von den Bieren auch immer eine alkoholfreie Variante – auch hier gilt: Das Ruhrgebiet bietet ein bunten Blumenstrauß an Sorten und Geschmäckern, kommt am bessten selbst zum probieren. Am ehrlichsten natürlich an der Trinkhalle 🙂

Der Ruhrpottler hängt den ganzen Tag „anne Bude 

Ja, mit einer höheren Dichte an Kiosken kann wohl keine andere deutsche Region aufwarten, aber ist es nicht auch einfach herrlich, seine gemischte Tüte, sein Feierabendpilsken oder ein Eis mal um die Ecke einkaufen zu können, ohne sich dafür in Schale werfen zu müssen? Die Trinkhallen sind uns Ruhris heilig, hier wird geklönt, diskutiert oder gefeiert – wie beim Tag der Trinkhallen zum Beispiel. Einige Kioske haben sich spezialisiert und bieten alternative Freizeitgestaltungsmöglichkeiten an, wie Kickern, Lesungen und kleine Konzerte. Allerhöchste Zeit also, mit dem Vorurteil aufzuräumen, hier würden nur Asis abhängen um sich „einen reinzustellen“ ;-). Sobald es wieder geht, lege ich Euch eine Budentour ans Herz!

Immer für ein Pläuschken zu haben: Die Budenbesitzer © Lamozik

Hauptnahrungsmittel ist im Ruhrgebiet die Currywurst  

An dieser Stelle muss noch einmal der Herbert herhalten „Gehse inne Stadt, Wat macht dich da satt ‚Ne Currywurst“…so bekannt wie das Lied ist auch die darin besungene Spezialität. Ja, das Ruhrgebiet steht für die Currywurst – mittlerweile aber nicht nur in der Stammkombination mit Pommes, sondern auch Veggie, am Stil und in weiteren spannenden Variationen. 

Darüber hinaus hat das Ruhrgebiet kulinarisch aber um einiges mehr zu bieten. Der Veggie / Vegan Trend ist hier genauso angekommen, wie Foodtruck– und Gourmetfestivals. Sobald es wieder möglich ist,  begebt Euch auf Tour. Bis dahin lasst Euch schon mal von den Artikeln von Verena & Sandra inspirieren. 

Im Ruhrgebiet ist alles grau – Von wegen  

Das Vorurteil Nummer 1 ist wohl „im Ruhrgebiet ist es grau & schmutzig“ und der meist gehörte Satz von Fremden, die die Region besuchen „Wie grün es hier doch ist“. Sobald Ihr die Region durchfahrt, durchwandert oder durchspaziert seht Ihr es selbst: An jeder Ecke grünt und sprießt es, Flüsse durchziehen die Region, ganz zu schweigen vom sehr gut ausgebauten Radwegenetz. Wenn Ihr auf eine unserer Halden klettert oder diese mit dem Rad befahrt, seht Ihr auch von oben, was gemeint ist. Gekrönt werden unsere Berge übrigens nicht selten von einer schicken Landmarke – frei nach dem Motto „wir stellen das Graue ins Grüne“.

Da „grün“ trotzdem nicht unsere Kernkompetenz ist, haben wir viele Zechen, Hochöfen und weitere Überbleibsel unserer montanen Vergangenheit aufgehübscht und einer neuen Nutzung zugeführt – hier sind Theater, Konzerthäuser, Museen und Gastronomien entstanden, die anderswo ihresgleichen suchen, Stichwort: Industriekultur 

 

Der Ruhri betreibt nur Fußballsport 

Nach der ganzen Currywurst, den Feierabendbierchen und süßen Tüten ist eines klar: Es muss Sport betrieben werden. Fußball spielt hier eine schon fast übergeordnete Rolle. Gern auch inaktiv betrieben, als Zuschauer im Stadion, am Spielfeldrand oder aber auch einfach mit Freunden beim Fernsehen. Bekannt ist die Region für ihr Derby zwischen Schalke und Dortmund, aber auch Zweit- und Drittligisten haben ihre große Fanbase und hier ist eben auch jeder mal Trainer!

Egal ob Schalke oder Dortmund: Fußball ist ein wichtiger Bestandteil der Region

Zum Teil treibt der Fankult sehr bunte Blüten! Wer die Geschichte des Fußballs im Ruhrgebiet näher betrachten möchte, dem lege ich einen Abstecher ins Fußballmuseum ans Herz. Es ist klar: König Fußball regiert im Revier! Aber: Neben Fußball ist das Fahrradfahren mittlerweile zu einer Art „Breitensport“ angewachsen. Ganze Familien schwingen sich an den Wochenenden auf den Sattel und radeln durchs Grüne – holt Euch Tipps direkt beim radrevier.ruhr und erkundet die Region auf dem Sattel! Darüber hinaus könnt Ihr Stand-Up-Paddeln auf den diversen Seen, Kanufahren auf der Ruhr oder Klettern im Landschaftspark Duisburg-Nord 

Typisch Ruhrgebiet – Mein Fazit 

Von wegen grau – das Ruhrgebiet ist eine der abwechslungsreichsten Regionen Deutschlands und wir wissen eben genau, dass wir mit den klassischen Touri-Regionen nicht konkurrieren – und genau das macht uns doch auch so charmant, oder?  

Ein Kommentar auf den Beitrag “Typisch Ruhrpott oder von wegen, alles nur grau hier!

So ist das Ruhrgebiet und ich liebe es.
Ein vor wenigen Jahren neu hinzugezogener Mediziner, der aus Schleswig-Holstein kam, sagte nach einiger Zeit zu mir: wissen Sie, was das Besondere an den Menschen im Ruhrgebiet ist. Da ich neugierig war sagte er zu mir, es sind zwei Worte: „kommse mit“. Sie bedeuten alles und sind so vielseitig.

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