von Jochen | 14. September 2017 | KATEGORIEN Industriekultur | 1 Kommentar

Warum sind viele Essener so stolz auf „ihre“ Krupps? Der Großkonzern hat ja schließlich nicht nur eine positive Berichterstattung in den vergangenen Jahrzehnten erzeugt. Es muss wohl an der Geschichte der Familie Krupp liegen. Und da Radfahren im Ruhrgebiet auf den ehemaligen Bahntrassen besonders beliebt ist, will ich mit dem Rad auf Spurensuche gehen. Das Ganze heißt dann „Auf den Spuren der Krupps durchs nördliche Essen“ und wird von simply out tours angeboten.

Afterwork-Radtour auf den Spuren der Krupps
Afterwork-Radtour auf den Spuren der Krupps

Nach der Arbeit ist vor der Tour

Der Arbeitstag neigt sich dem Ende, der Feierabend ruft. Also auf zum Hauptbahnhof Essen, zum Treffpunkt an der Radstation. Nach und nach trudeln die Teilnehmer:innen ein. Melanie Hundacker, die heutige Gästeführerin der Tour und Inhaberin von Simply Out Tours (Stand 2017), begrüßt jeden per Handschlag. Es gibt einige Wiederholungstäter, die schon Radtouren im Ruhrgebiet mit ihr gemacht haben – ein gutes Zeichen, dass die Touren spannend sind.

Bis es losgeht, mustern sich die Teilnehmenden – ganz unfreiwillig – gegenseitig. In den meisten Gesichtern erkennt man die gleichen fragenden Gesichtszüge „Bin ich fit genug für die Tour?“, „Was haben die anderen denn für Räder?“ und „Bin ich richtig angezogen?“. Grade letztere Frage ist begründet. Eben noch Sonnenschein, jetzt regnets. Blöd! Regenzeug angezogen, der letzte ist da, es soll losgehen und… es ist trocken und ein Sonnenstrahl blitzt durch die Wolken direkt auf meine Regenjacke. Mir wird warm, zu warm, auch blöd! Während Melanie auf der Karte die heutige Tour erklärt, verschwindet meine Regenjacke wieder im Rucksack. 35 Kilometer stehen an und das mitten in der Großstadt. „Keine Panik“, entwarnt Melanie, „Straßenverkehr werdet Ihr kaum ertragen müssen.“ Los geht’s!

Im Zentrum von Essen fing alles an

Die Fußgängerzone ist – zumindest da wo wir fahren – für Radfahrer offiziell freigegeben. Natürlich ändert das nichts an dem einen oder anderen bösen Blick von Shoppingbummlern. Aber das Recht ist auf unserer Seite und ein freundliches Lächeln und ein bisschen Rücksicht bringen uns schnell ins Zentrum. Unser erster Halt ist der Flachsmarkt, mit Blick auf eine Glasfassade aus den 50/60ern. Warum grade hier? Es gibt weiß Gott schönere Hausansichten im Essener Zentrum. Ich bin selber Essener und habe an dieser Stelle noch nie das Bedürfniss gehabt, länger zu verweilen. Außer beim Weihnachtsmarkt, da gibt es hier ein unerhört leckeres Knoblauchbrot an einem Stand, aber bis dahin dauert es noch einige Monate.

Hier stand das Geburtshaus von Alfed Krupp
Hier stand das Geburtshaus von Alfed Krupp

Heute schaut man nur auf eine Glasfassade und eine typische Nachkriegsarchitektur – irgendwie nicht so schön. Aber dann klärt uns Melanie auf: hier stand das Geburtshaus von Alfred Krupp. Hier hat alles angefangen. Von hier aus starteten die Konzerngeschichte und die globale Expansion des Unternehmens. Selbst als gebürtiger Essener lerne ich einiges über die Anfangsprobleme des noch jungen Familienunternehmens. Von einem luxuriösen Lebensstil der Familie vor rund 200 Jahren keine Spur, vielmehr bescherten Managementfehler und Fehlinvestitionen in den Anfangsjahren harte Jahre. Spannend! Und wirklich schade, dass das alte Gebäude dem Bombenhagel des 2. Weltkriegs zum Opfer fiel. Dass sich der Konzern aber trotz erheblicher Startschwierigkeiten prächtig entwickeln sollte, sehen wir schon wenig später.

Ein neues Stadtquartier im Herzen der Einkaufsstadt

Vorbei am schicken neuen Univiertel, das sich dank städtebaulicher Maßnahmen zur schönen Flanierpromenade mit Wasserstraße entwickelt hat, betreten wir das Gelände der ehemaligen Krupp-Werke. Viel ist nicht übrig geblieben von damals.

Das Foto zeigt die Radfahrer-Gruppe bei der Radtour auf den Spuren der Krupps.
Auf den Spuren der Krupps im neuen Univiertel

Unter anderem das heutige Colosseum Theater und das Parkhaus von IKEA können ihre Vergangenheit als kruppsche Fabrik jedoch kaum verbergen. Und natürlich das alte Stammhaus von Krupp. Aber das liegt gut versteckt und die wenigsten Essener waren wohl schon mal drin. Während die Villa Hügel im Essener Süden ein weltbekannter Besuchermagnet ist, liegt das Stammhaus für viele unbemerkt direkt neben der Konzernzentrale.

Das Stammhaus von Krupp

Ein schönes altes Fachwerkhaus: klein, unauffällig, beschaulich und vor allem bescheiden – das genaue Gegenteil der Villa Hügel.

Im historischen Stammhaus der Familie Krupp
Im historischen Stammhaus der Familie Krupp

Im Innern erklärt uns Melanie viel über die Werte und Überzeugungen der alten Krupps. Das Stammhaus steht für diese Werte als Synonym und macht die Familie Krupp äußerst sympathisch. Schnell versteht man, warum der Name Krupp grade in der älteren Generation so hoch angesehen ist.

Ein Katzensprung durch die Zeit: Vom Stammhaus zur Firmenzentrale

Weiter geht’s zur heutigen Firmenzentrale. Die Worte beschaulich und bescheiden wollen hier nicht mehr so richtig passen. Worte wie schick und auffällig, aber auch Hightech und Umweltfreundlichkeit beschreiben den mächtigen Kubus – ein gewaltiger Showroom eben, der die Produkte des Konzerns gekonnt in Szene setzt.

Grüne Hauptstadt vor der Firmenzentrale
Grüne Hauptstadt vor der Firmenzentrale

Der Vorplatz der Hauptverwaltung ist im Jahr der Grünen Hauptstadt zu einer innerstädtischen Gartenanlage erblüht. Obst und Gemüse mitten in der Großstadt, so lernen auch Großstadtkinder, wo das Essen wirklich herkommt. Nicht nur Mitarbeiter profitieren von dieser neuen und modernen Siedlungsarchitektur, auch Spaziergänger:innen und eben Radfahrende wie wir erleben ein tolles neues Stadtviertel.

Blick vom neuen Krupp-Park zur Firmenzentrale
Blick vom neuen Krupp-Park zur Firmenzentrale

Bahntrassenradeln: Radfahren im Ruhrgebiet ohne Straßenverkehr

Viel gesehen und viel gelernt, aber bisher kaum geradelt. Das ändert sich jetzt. Über die ehemalige Trasse der Rheinischen Bahn geht es gemütlich, ebenerdig und vor allem autofrei Richtung Mülheim an der Ruhr. So macht Radfahren in Essen Spaß, herrlich. Für nen knappen Kilometer schnuppern wir rein in die Zukunft: ein Musterstück des geplanten Radschnellwegs Ruhr, der eines Tages von Hamm nach Duisburg quer durchs Ruhrgebiet führen soll. So kann die Zukunft aussehen, top!

Die Zukunft der Radmobilität: der RS 1
Die Zukunft der Radmobilität: der RS 1

Kurz vor dem Rhein-Ruhr-Zentrum biegen wir ab auf die Gruga-Trasse. Ab hier geht’s immer leicht bergauf, aber so leicht, dass man es kaum merkt. Trotzdem geht es etwas langsamer vorwärts. Es klingelt und ein älteres Rentnerpärchen zieht mühelos an uns vorbei – tja, der E-Motor machts eben möglich. Irgendwie ein wenig deprimierend. Dann warnt Melanie vor: es wird steil. Die Margarethen“höhe“ hat ihren Namen nicht ohne Grund. Und nur wenige aus der Gruppe erklimmen die Höhe durch kräftige Tritte in die Pedale. Schieben geht aber auch, sind ja nur ein paar Meter.

Das Leben in der Gartenstadt

Vor dem Torbogen zur Margarethenhöhe erklärt Melanie die Geschichte der Gartenstadt und die Unterschiede zur klassischen Arbeitersiedlung im Ruhrgebiet. Anschließend radeln wir durch den romantischen Ortskern, sehen Häuser, die gleichzeitig alle gleich und doch wiederum alle einzigartig wirken.

Der Architekt war damals clever. Er reduzierte die Kosten durch standardisierte Fertigbauelemente, die er jedoch in jedem Haus anders arrangierte und so diesen besonderen Charakter der Gartenstadt Margarethenhöhe in Essen schuf.

Der Abend naht und die Schlussetappe führt uns weiter auf der ehemaligen Bahntrasse hoch zur Gruga. Hier endet die Radtour durch Essen und die Teilnehmer verabschieden sich. Alle sind sich einig, man hat viel dazugelernt – selbst, wenn man aus Essen kommt. Einige der Teilnehmer radeln noch mit Melanie zurück zum Hauptbahnhof, andere nutzen die Bahntrasse für eine rasante Abfahrt bis runter nach Essen-Steele, wiederum andere lassen den Abend im Szeneviertel Rüttenscheid ausklingen. Für mich geht’s gemütlich mit dem Rad Heim nach Kettwig.

Auf den Spuren der Krups

Website: www.radrevier.ruhr
Facebook: www.facebook.com/radrevier.ruhr
Komoot: www.komoot.de/user/364933523302

GPX-Daten-Download der Tour „Auf den Spuren der Krups“

simply out tours
Website: www.simply-out-tours.de
Facebook: www.facebook.com/simplyouttours

Rad Revier Ruhr Logo EFRE logo NRW Aktiv Logo

Ein Kommentar auf den Beitrag “Afterwork-Radtour auf den Spuren der Krupps

  1. Hallo, ich heiße Oliver und bin freiberuflicher Fotograf aus Mülheim, dank dem neuen RS1 Radschnellweg der mehr oder weniger direkt hier bei uns vor der Haustüre verläuft bin ich in wenigen Minuten mit dem Mountainbike entweder in der Essener Innenstadt oder am thyssenkrupp Quartier einem meiner Lieblingsmotive im Ruhrgebiet egal bei welchem Wetter oder welcher Jahreszeit. Klar bei blauem Himmel und Sonne ist es attraktiver zu fotografieren aber selbst im Winter bei Eis und Schnee ist es jedes Mal aufs Neue ein interessantes Motiv das nie langweilig wird. Man kann immer wieder zum fotografieren hin fahren und man entdeckt jedes Mal neue Motive und Winkel in denen man es noch nicht abgelichtet hat. Ich kann den thyssenkrupp Campus jedem architekturbegeistertem oder auch jedem Industriefotografen nur wärmstens empfehlen. Das Quartier ist immer wieder aufs neue eine Radtour wert, wird einfach nie langweilig. Im Sommer bietet es sich auch an mal länger am Quartier zu verweilen und im Café Mocca auf dem Campus einen Kaffee oder ein Kaltgetränk und einen Snack zu sich zu nehmen und einfach die Atmosphäre im Quartier zu genießen und vielleicht mit dem/der ein oder anderen Mitarbeiter(in) ins Gespräch zu kommen.

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