Das Foto zeigt die Currywurst in Herne.

Die Currywurst wurde in Duisburg erfunden!

11. Juni 2025

Um die Currywurst haben sich im Laufe der letzten fast fünfundsiebzig Jahre jede Menge Mythen und Geschichten angesammelt. Das macht sie besonders – auch über ihren köstlichen Geschmack hinaus: Es gibt kein anderes Gericht, über dessen Herkunft so erbittert und andauernd gestritten wird, wie über die der Currywurst. Das Thema elektrisiert bis heute, und die Diskussionen um die wahre Heimat der Currywurst befeuern die Mythenbildung immer wieder.

Wir haben uns im Ruhrgebiet fast fünfundsiebzig Jahre lang das laute Geschrei aus Berlin angehört, dass dort die Currywurst erfunden wurde. Damit ist jetzt endgültig Schluss. Denn heute wissen wir, dass die Currywurst in ihrer Urform im Jahre 1936, also bereits 13 Jahre vor Berlin, erstmalig verzehrt wurde. Aber der Reihe nach.

Mythos Geburtsort Berlin

© erste liga – Dirk Uhlenbrock

Herta Charlotte Heuwer (* 30. Juni 1913 in Königsberg als Herta Charlotte Pöppel; † 3. Juli 1999 in Berlin) betrieb seit Mitte August 1949 an der Kantstraße, Ecke Kaiser-Friedrich-Straße in Berlin-Charlottenburg, einen Imbissstand. Am 4. September, kurz nach der Eröffnung, so sagte sie selbst, kam ihr eine Idee: Sie mischte aus Tomatenmark, Currypulver, Worcestershiresoße und einigen weiteren Zutaten eine neue leckere Soße und servierte diese zu einer gebratenen Brühwurst. Heuwer nannte ihre neue Kreation„Spezial Curry-Bratwurst“, die dann Mitte der 1950er Jahre zur „Currywurst“ wurde.

Allerdings passt hier, streng betrachtet, nicht alles nahtlos zusammen. Denn laut Herta Heuwer regnete es in Berlin an jenem Tag ausgiebig, als sie ihre neue Soße bei schlechtem Wetter zu ihrem Zeitvertreib erstmalig anrührte. Die Wetteraufzeichnungen des Deutschen Wetterdienstes hingegen bescheinigen, dass der 4. September 1949 ein trockener Tag bei 22 Grad Celsius in der Hauptstadt war. Aber so ist das eben mit Legenden: Sie werfen mitunter neue Fragen auf – und Herta Heuwer können wir heute leider nicht mehr dazu befragen.

Und dann kam Hamburg um die Ecke

© erste liga – Dirk Uhlenbrock

In der Novelle „Die Entdeckung der Currywurst“ von 1993 geht der Schriftsteller Uwe Timm seinen Kindheitserinnerungen nach und spürt die mittlerweile 86-jährige Lena Brücker in einem Altenheim in Hamburg auf, weil er sie für die Erfinderin der Currywurst hält. Diese lüftet zum Ende des Buches das Geheimnis um die vielleicht erste Currywurstsoße, bei deren Entstehung der Zufall verantwortlich ist.

Lena Brücker betreibt seit 1947 einen Imbiss am Großneumarkt in Hamburg und gerät bei Tauschgeschäften mit den britischen Besatzern an Ketchup und Currypulver. Der Ketchup und das Currypulver fallen ihr aus Versehen auf den Boden und vermischen sich. Der erste Curryketchup als Soße, serviert in Kombination mit einer Bratwurst, und somit die erste Currywurst Deutschlands, sind entdeckt. Für den (Ich-)Erzähler des Buches ist die fiktive Figur Lena Brücker die erfundene Stellvertreterin der Frauen, die den Wiederaufbau im zerstörten Hamburg nach Ende des Zweiten Weltkriegs gestemmt haben. Und bei so einer Frau, erinnert sich der Autor, hat er angeblich schon 1947 am Imbissstand auf dem Hamburger Großneumarkt eine Currywurst gegessen.

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – die Currywurst im Ruhrgebiet

© erste liga – Dirk Uhlenbrock

Auch im Ruhrgebiet hat die Currywurst seit vielen Jahrzehnten eine Heimat und ist ein leidenschaftlich geschätztes „Grundnahrungsmittel“. Bei der Recherche nach handfesten Indizien für die Geburtswiege der Currywurst im Ruhrgebiet sticht eine Imbissinstitution namens „Peter Pomm’s Pusztetten-Stube“ in Duisburg heraus. Nicht nur wegen des ungewöhnlichen Namens der Imbissbude am August-Bebel-Platz 7 in Marxloh, einem Stadtteil im Duisburger Norden, sondern weil auf einem Schild über dem Eingang der Hinweis „Currywurst seit 1936“ zu lesen ist!

© Familie Tauber/ Hildebrand

Das Jahr 1936 liegt bekanntermaßen eindeutig vor den hier bisher beschriebenen Currywurst-Entdeckungsgeschichten zwischen 1946 und 1949, und dies müsste dann ja ein klarer Nachweis für die erste Currywurst Deutschlands – und somit der großen weiten Currywurst-Welt – sein!

Ein Marxloher Original!

Willem Tauber, Inhaber von „Peter Pomm’s Pusztetten-Stube“ und ein Marxloher Original, erzählte uns zusammen mit seiner Tochter Iris Tauber die ganze Geschichte: Willem Taubers Schwiegervater Peter Johann Hildebrand wurde am 22. September 1911 in der Gemeinde Oss in den Niederlanden als Sohn eines Metzgermeisters geboren und kam in den 1920er Jahren nach Deutschland, weil es im Ruhrgebiet mal wieder ordentlich brummte und an Arbeitskräften mangelte.

© Familie Tauber/ Hildebrand

In den Jahren 1935 und 1936 war Peter Hildebrand kaufmännisch sehr aktiv und bezog „Currypulver Englische Art“ von der Hamburger Gewürz-Mühle, die seit dem Jahr 1930 Gewürze importierte und über den eigenen Großhandel über die Grenzen Hamburgs hinaus vertrieb. Peter Hildebrands Plan war, die groben Bratwürstchen aus eigener Herstellung mit dem seit kurzer Zeit auch in Deutschland erhältlichen Tomatenketchup und dem wunderbar aromatischen und exotischen Gewürz zu kombinieren.

Dies war also die wahre Geburtsstunde der Currywurst!

© Familie Tauber/ Hildebrand

Auch in den schwierigen Kriegsjahren ließ sich Peter Hildebrand nicht davon abhalten, im privaten Kreis Currywurst herzustellen und zu verzehren. Die Rezeptur bzw. die Kombination der Zutaten sprach sich im Ruhrgebiet herum, und so erfreuten sich vor Kriegsausbruch, solange die Zutaten irgendwie erhältlich waren, Currywürste wachsender Beliebtheit. Die Familiengeschichte der Hildebrands und Taubers ist auch nach dem Krieg vom Imbissgeschäft geprägt, sie betreiben bis zu drei Imbissbetriebe in Duisburg. Hildebrands Verkaufsschlager waren Pommes frites, und schon 1959 kam mit der „Kartoffelkrise“ in Deutschland die nächste Hürde für seine Geschäfte. „In dem Jahr war die Ernte so schlecht, dat uns keiner Fritten liefern konnte“, erzählt Willem Tauber. Aber man trotzte den harten Nachkriegsjahren tapfer und aus Peter Hildebrand wurde „Peter Pomm“.

Duisburg ist der neue Geburtsort der Currywurst

Das Bild zeigt den Landschaftspark Duisburg-Nord von oben.

Duisburg im Westen des Ruhrgebiets: Industriekultur pur & Heimat der Currywurst!

So ist erklärt, woher der außergewöhnliche Name der Imbissbude stammt, und warum die Erfindung der Currywurst, viele Jahre zuvor, ein wenig in den Hintergrund geraten war. Aber da alle dort die leckere Currywurst schon seit mindestens 1936 kannten, ist es eine Selbstverständlichkeit gewesen, eben auch das bereits erwähnte Schild „Currywurst seit 1936“ über dem Eingang zu präsentieren.

Sicher ist weiterhin, dass das Jahr 1936 vor den Jahren 1946 in Bückeburg, 1947 in Hamburg und 1949 in Berlin liegt!

Alles hat ein Ende – nun auch der Streit um den Geburtsort der Currywurst in Deutschland!

Diese Geschichte ist ein Auszug aus unserem Buch „Alles Currywurst- oder was?“, erschienen im September 2024 im Klartext Verlag. Wir sind sehr stolz darauf, die Geschichte der Currywurst in Deutschland umgeschrieben zu haben, gratulieren Berlin zum zweiten Platz, und freuen uns auf die Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag der Currywurst im Jahr 2026 in Duisburg.

Wo isst du am liebsten deine Currywurst? Schreib es uns in die Kommentare.

Über den Gastautor: Tim Koch

Tim Koch | Foto: © Philipp Rathmer

Unser Gastautor Tim ist gebürtiger Hamburger und lebt in Essen. Er brachte zahlreiche Ketchup- und Currywurstsaucen in den Handel und gründete ein Franchisekonzept für Currywurst-Buden. Heute ist er ein renommierter Konzeptentwickler für Marken, Gastronomie und Events. Auf seinem Unterarm prangt eine Currywurstschale als Tattoo, als wäre nicht ohnehin völlig klar: Niemand liebt Currywurst mehr als er. Quelle: www.crrywrst.de

 

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