Die hohe Dichte der Ortschaften im Ruhrgebiet lädt zu herrlichem Stadthopping ein und kurze Fahrzeiten verbinden die unterschiedlichsten Perlen der Industriekultur eng miteinander. Ich habe Schlafsack & Rucksack geschultert und drei Nächte im Pott verbracht. Das Ergebnis? Von der beschlafbaren Kunstinstallation über das coole Hipsterhotel bis hin zum Traditionshaus mit Kochkurs hat das Ruhrgebiet mich jedes Mal überrascht und zwar bunt, statt grau!
Moderner Zeitgeist trifft traditionelle Industriestadt – Das niu Cobbles in Essen
Wer auf Berliner Hipsterschick steht, wird das Essener niu-Hotel ab dem ersten Schritt durch die Tür lieben! Modernste bunte Einrichtung gemischt mit aufmerksamen Servicemitarbeiternden holt ordentlich Metropolenflair nach Essen. Der Restaurantbereich ist durchgestylt und das Frühstück bietet alles, was mein Stadthopping-Herz sich zur Stärkung wünscht: Frisch aufgebrühter Tee ohne Beutel, diverse Brötchen und Aufstriche warteten morgens auf meinen hungrigen Bauch. Hmmm! Da hier auch der/die ein oder andere Geschäftsreisende ein und ausgeht macht es auch Spaß mal beim Frühstück die Ohren zu spitzen – um einen herum gibt’s lauter spannende Diskussionen.
Was sich Berlin hier mal abgucken kann? Trotz cooler Deko gibt es keine Abstriche bei der gewohnten Gemütlichkeit von klassischen Hotelzimmern. Als Gast vermisst man hier weder den Fernseher, noch das kuschelige Bett mit dicker Decke oder den Kofferständer. Im Badezimmer macht sich die moderne und müllsparende Linie des niu Cobbles direkt bemerkbar: Es gibt statt den üblichen unzähligen in Plastik verpackten Utensilien nur Shampoo, Seife und Handtücher – reicht ja auch!
Wer keine Zimmerreinigung in Anspruch nimmt bekommt gratis Drinks und auch beim WLAN versteckt sich eine coole Überraschung: Die hauseigene Mediathek bietet etliche Filme zur Auswahl. Ich selbst habe es allerdings dank der kuschelweichen Betten gerade mal bis zur Startseite der Filmauswahl geschafft und bin dann prompt entschlummert. Wer morgens gern mit Musik ein Bein aus dem Bett schwingt, kann im niu einfach sein Handy über Bluetooth mit den Boxen im Zimmer verbinden. Zum Pina Colada Song tanzend steht es sich eben doch gleich besser auf, finde ich. 😉
Zahl was du willst! – Die Kunstinstallation Röhrenhotel im Bernepark
Wer bei dem Gedanken an das Gebiet einer ehemaligen Kläranlage kraus die Nase verzieht, der wird im Bernepark schnell eines Besseren belehrt. Das Gelände wurde in den 90er Jahren außer Betrieb genommen und hat sich seitdem mit der Hilfe namhafter Architekten wie Piet Oudolf, der unter anderem für die Gestaltung des New Yorker Highline-Parks verantwortlich war, zum Erholungsort gemausert.
Zu diesem ganz besonderen Konzept gehört auch das Röhrenhotel Bernepark. Camping in der Kanalröhre? Das klingt erstmal ungewöhnlich, hat mir aber großen Spaß gemacht! Man schläft in den Betonröhren ein wenig wie im Zelt, nur gemütlicher. Meinen Schlafsack rollte ich noch bei Tageslicht auf dem Bett aus – eine kleine Lampe sorgte später dafür, dass ich mich auch im Dunkeln orientieren konnte. Für eine frische Nacht, bei der das Ruhrgebiet schon den ersten Herbst einziehen lässt, tut ihr gut daran einen dicken Pulli einzustecken, im Sommer reicht natürlich auch ein Schlafanzug.
Im Röhrenhotel gilt das Pay-As-You-Wish Prinzip. Das heißt, du kannst selbst entscheiden, was dir die Übernachtung wert war. Was du lieber nicht tun solltet? Die Tür der Röhre zufallen lassen und den Schlüssel vorher nicht rausnehmen… Dann kommst du nämlich nicht wieder rein und bis Hilfe in den abgelegenen Berne-Park kommt, dauert es auch schon mal ein paar Stunden länger! Was du hingegen unbedingt tun solltet? Rechtzeitig aufstehen und im Morgenlicht die angrenzende Blumeninstallation “Theater der Pflanzen” mit langsamen Schritten durchwandern. Morgenduft und rotgoldenes Licht vermischen sich hier zu einem herrlichen Tagesbeginn. Auch wer gern in Gesellschaft ist, hat hier den besten Ort gefunden um abends bei einem lokalen Bier mit Freunden in einer Röhre zusammengedrängt zu sitzen und Spaß zu haben, als wäre man nochmal 16!
Das Röhrenhotel ist definitiv eine spannende Idee und war mein persönliches Übernachtungshighlight im Ruhrgebiet. Auch direkt in der Nähe einer der großen begehbaren Industrieanlagen, wie zum Beispiel im Landschaftspark Duisburg-Nord, könnte ich mir so ein Röhrenhotel sehr gut vorstellen.
Von Kochkursen & Spaziergängen in der Margarethenhöhe – Mintrops Stadt Hotel in Essen
Gelegen im historischen Essener Viertel Margarethenhöhe erwartet mich das Hotel Mintrops mit einer heißen Dusche und herzlichen Mitarbeitern. Ich muss zugeben, dass ich mir in meinem Röhren-Highlight der letzten Nacht doch ein bisschen die Nase verkühlt habe und deswegen umso begeisterter den Komfort eines ganz klassischen Hotelzimmers mit Tageslichtbad und Kuschelbett genieße.
Abends wartet ein Kochkurs auf mich, bei dem ich selbst mit anpacken darf. Frische Zutaten und leckere Gerichte lassen mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Nur mein kleiner Magen macht mir einen Strich durch die Rechnung – es ist einfach viel zu viel Essen für mich! Mein Tipp: Wenn du mit mehreren kommt, frag den Kochkurs lieber etwas früher an, als du nochmalerweise essen würdest, dann ist es noch nicht so spät, wenn du tatsächlich die Schüsseln mit Schmackhaftem auf dem Tisch hast, denn als Anfänger braucht mal doch nochmal um einiges länger zum Rühren und Schnippeln, als die Kochprofis! 😉
Die echte Besonderheit des Mintrops liegt für mich allerdings außerhalb des Hotels: Wer vor die Tür geht steht mitten am Marktplatz der ehemaligen Arbeitersiedlung Margarethenhöhe, die einst von der Frau des Industriemagnaten Alfred Krupp – Margarethe – gestiftet wurde. Noch heute verwaltet die Margarethe-Krupp-Stiftung die Siedlung. Zwischen 1906 und 1938 befreit von den damals üblichen Bauvorschriften errichtet, fällt die Siedlung durch ihren liebevollen Stil auf, bei dem fast jede Häuserreihe anders ausschaut, als die nächste.
Jedoch wandert man hier tatsächlich nicht mehr durch die originalen Reihen, sondern durch eine wiedererrichtete Siedlung. Im Krieg fiel die Margarethenhöhe leider etlichen Bombenangriffen zum Opfer. Bei meinem Morgenspaziergang durch das Viertel folge ich den Wegen entlang liebevoll dekorierter Türen, aufwändig bepflanzter Gärten und abwechslungsreicher Architektur, die dennoch einer übergeordneten Linie zu folgen scheint. Fensterläden klappen auf, Katzen warten auf ihre Jagdchance und ein paar verschlafene Spaziergänger klappen die Kragen hoch – über allem hängt eine herrliche Stille in der verregneten Luft. Ich wäre am liebsten länger geblieben.
3 Nächte im Ruhrgebiet – Mein Fazit
Natürlich kann man in drei Nächten nicht das ganze Ruhrgebiet kennen lernen, aber eins wird schnell klar: Das Konzept des Städtehoppings lässt sich hier hervorragend umsetzen. Die Orte liegen nur einen Steinwurf voneinander entfernt und jede Stadt hat ihre eigenen spannenden Geschichten zu erzählen. Das Konzept ‘Schlafen, Gucken, Weiterreisen’ ist für mich hier die perfekte Wahl.
In den größeren Ortschaften könnte ich mir auch mehrere Tage Zwischenstopp vorstellen, aber ich glaube, dass es häufig reicht, sich tagsüber auf ein oder zwei lokale Highlights, wie zum Beispiel die Zeche Zollverein in Essen, die vielen schön gestalteten Halden oder die lokaltypische Stehbierhalle in Dortmund zu konzentrieren und dann abends den nächsten Ort anzusteuern.
Der graue Ruf des Ruhrgebiets ist längst Geschichte. Ab jetzt wird’s hier im Urlaub bunt, lustig und natürlich auch mal feuchtfröhlich!
Ein Artikel von Antje Horn
Antje Horn ist eine freie Journalistin aus Berlin. Mit einem Fuß im Wanderschuh und dem anderen an Deck eines Segelbootes steht ihr Herz dieser Welt und ihren Erlebnissen weit offen. Neben einer Leidenschaft fürs Draußen sein, Städte Entdecken und Abenteuer erleben setzt sie sich seit vielen Jahren intensiv mit Akupressur und Gesundheit auseinander und fragt an jedem Ort dieser Erde die Einheimischen nach Hausmitteln, Heilpflanzen und lokalen Ritualen um all diese Infos in einem kleinen Büchlein zu sammeln.