Viel zu lange hat es gedauert, bis ich die Fortsetzung meines Radurlauberlebnisses endlich in die Tat umgesetzt habe. Mitten in der Coronapandemie habe ich mich 2020 das erste Mal für einen Urlaub auf den Fahrradsattel gesetzt (damals auf dem RuhrtalRadweg von Winterberg nach Duisburg) und war euphorisch hoch hundert, dass ich diese Art von Urlaub so schnell wie es nur geht erneut erleben möchte. Tja und wie das Leben so spielt habe ich drei Jahre verplempert, bis ich es geschafft hatte. Aber jetzt erzähle ich dir endlich von meinem zweiten Urlaub per Rad.
Als erstes stand die Entscheidung an, wohin es gehen soll. Aufgrund der Nähe, meiner beruflichen Beziehung dahin und weil ich es mir eh schon mal vorgenommen hatte, fiel die Wahl schnell auf die Römer-Lippe-Route. Zwischenzeitlich wollte mein Kollege Jochen die Tour auch radeln und hat bereits den ersten Teil über die Vorbereitung seiner Radreise auf der Römer-Lippe-Route geschrieben, aber auch bei ihm tickten die Uhren etwas langsamer und jetzt bin ich ihm doch tatsächlich noch zuvor gekommen. Nun bin ich wahrlich kein Fan von Geschichte, geschweige denn von Römern, aber Spoiler: Gerade dieses Thema war für mich der absolute Bonus dieses Radweges. Aber nun erst einmal von vorne.
How to: Organisation einer Radreise
Wie plane und organisiere ich überhaupt einen Radurlaub? Das erkläre ich dir detailliert in meinem RuhrtalRadweg Artikel. Gerade für Neulinge hilft meine Step by Step Anleitung sicherlich bei einigen Entscheidungen wie die Länge der Tagesetappen, Navi oder nicht, Bio- oder Elektrofahrrad (wir nutzen wie beim RuhrtalRadweg wieder beides), fahrradfreundliche Hotels, Anreise per Auto oder Bahn, wie packe ich usw. Also lies gerne einmal rein und steige später wieder hier in den Artikel. Die alten Hasen unter den Radurlauber:innen können jetzt einfach weiterlesen.
Verschiedene Strecken der Römer-Lippe-Route
Bei der Römer-Lippe-Route hast du die Wahl zwischen der Hauptroute (295 km) von Detmold bis Xanten, den thematischen Wegeschleifen (184 km) dazwischen oder der Kombi aus beidem (479 km). An 12 Punkten kannst du die Hauptstrecke verlassen und dich auf eine der Wegeschleifen begeben, die entweder das Thema Wassererlebnis oder Römerkultur behandeln.
Die Wegweisung besteht bei der Römer-Lippe-Route wie bei anderen Radwegen aus der rot-weißen Fahrradbeschilderung. An Stellen, wo sich verschiedene Radrouten kreuzen wirst du zusätzlich noch den kleinen rot-blauen Römerhelm erkennen. An jedem Abzweig einer thematischen Schleife findest du eine kleine Infotafel zur Route und ab hier ändert sich der Römerhelm entweder in blau (Wassererlebnis) oder rot (Römerkultur). In den jeweiligen Anrainerkommunen erwarten dich auch große Infotafeln mit nützlichen Tipps zum jeweiligen Ort.
(Etappen)Planung ist der halbe Urlaub
Am Anfang steht ja immer die Etappenplanung und da habe ich bei der Römer-Lippe-Route doch des Öfteren hin- und her schieben müssen. Diese Route wechselt oft zwischen Urbanität und Ländlichkeit und an letzteren Orten ist nicht immer flächendeckend eine große Auswahl an Unterkünften geboten. Dazu sollen ja auch die täglichen Radkilometer passen und bei mir kommt der ordentliche Zeitpuffer für Pausen, Kulinarik und Erleben hinzu. Am besten bestellst du dir kostenfrei das Info-Paket mit Gastgeberverzeichnis nach Hause oder planst die Etappen digital am Laptop. Mich erwarten 295 km und daher sieht meine finale Planung wie folgt aus:
Tag 1 (Anreise)
Per Bahn nach Detmold, danach mit dem Rad zum Hermannsdenkmal (ca. 16 km)
Übernachtung im Elisabeth Hotel
Tag 2
Detmold bis Paderborn (ca. 50 km)
Übernachtung im Welcome Hotel
Tag 3
Paderborn bis Lippstadt (ca. 45 km)
Übernachtung im Quality Hotel
Tag 4
Lippstadt bis Hamm (ca. 60 km)
Übernachtung im Pier9 Tiny House Hotel
Tag 5
Hamm bis Selm (ca. 50 km)
Übernachtung im An Hotel
Tag 6
Selm bis Schermbeck (ca. 60 km)
Übernachtung im Madisson Green El Capitan
Tag 7
Schermbeck bis Xanten (ca. 45 km)
Übernachtung im Hotel Nibelungen Hof
Tag 8 (Abreise)
Xanten bis Bottrop (ca. 50 km)
Auch für diesen Urlaub habe ich meine Unterkünfte vorab gebucht, um einfach sicher zu gehen, dass in meine Kilometerplanung nichts dazwischenfunkt und man plötzlich doch noch mal 20 Kilometer länger fahren muss.
Anreise: Entspannt mit der Bahn
Entspannt mit der Bahn? Inklusive Fahrrad? Ja tatsächlich hat das super funktioniert. Von Bottrop aus sind wir ungefähr drei Stunden mit zwei Umstiegen nach Detmold gefahren. Die Züge waren nicht zu voll, wir hatten immer Plätze für die Räder und es lief generell alles reibungslos. Um dem Berufsverkehr zu umgehen, sind wir auch erst am frühen Vormittag los, also nicht direkt in den Morgenstunden und waren dann vor dem großen Nachmittagsverkehr bereits in Detmold, wahrscheinlich war das der Schlüssel zum Erfolg.
Es reist sich besser mit leichtem Gepäck
Bevor wir unsere erste, vorgezogene Mini-Etappe zum Hermannsdenkmal bestreiten, checken wir erst einmal im Hotel ein und beziehen unser Zimmer. Unsere Wahl ist nicht nur wegen der zentralen Lage auf das Elisabeth Hotel gefallen, sondern vor allem, da es sich um ein Inklusionshotel für Menschen mit Beeinträchtigungen handelt, was ich gerne unterstütze. Um etwas leichter zu radeln, lassen wir den Großteil unseres Gepäcks im Hotel und beginnen entlastet unsere Tour.
Die erste Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Höhenmeter und Hitze = schlechte Kombi
Es ist ein sehr heißer Tag, aber wir haben Zeit, kaum Gepäck dabei und können deshalb ganz gemütlich die sportlichen Höhenmeter bis zum Hermann bewältigen. Mit Akku ist der Weg entspannt, ohne wird er bei den Temperaturen allerdings zur ersten Härteprüfung für meine Begleitung mit Bio-Bike und ich muss zwischendurch auch mal anfeuern und motivieren. Der Weg hoch ist eine Straße, auf der uns aber nur sehr wenige Autos begegnen und es lässt sich gut fahren.
Wer sich die Höhenmeter bis hierhin ersparen möchte, kann übrigens in der Radsaison an Wochenenden und Feiertagen mit der Touristiklinie 792 (mit Radanhänger) den bequemeren Weg nehmen.
Oben angekommen fährt man direkt auf den Startpunkt der Römer-Lippe-Route zu. Hier beginnt also offiziell unser Radurlaub und damit wir immer wissen, wie viele Kilometer wir nach und nach hinter uns gebracht haben, begegnen uns auf der gesamten Strecke immer wieder Stahltafeln mit der dortigen Kilometerangabe. Hier ist auch die erste Berührung mit dem römischen Thema der Route: Am Startpunkt sind wir noch bei Kilometer null, aber künftig werden die Kilometer passend in römischen Zahlen angegeben. Für uns direkt der Ansporn ab nun alle Kilometerangaben erst in unsere arabischen Zahlen zu übersetzen und dann zu überprüfen, ob unser Ergebnis mit der kleinen Angabe oben rechts auf den Schildern übereinstimmt (hat überraschenderweise auch meistens geklappt :D).
Auf zum Hermann
Ein paar wenige (Höhen)Meter erwarten uns nun noch bis wir in 386 Metern Höhe (puh, deshalb war die Fahrt so anstrengend!) endlich den Hermann erblicken. Absolut beeindruckend, wenn man das erste Mal davor bzw. darunter steht, denn mit seinen ca. 54 Metern Höhe erinnert das Hermannsdenkmal an die „Schlacht im Teutoburger Wald“ im Jahre 9 nach Christus.
Apropos Schlacht, wir haben seit heute Morgen nichts mehr gegessen und fühlen uns, als hätten wir diese Schlacht selbst durchlebt. Deshalb geht es jetzt wieder runter ins Städtchen Detmold, um nach etwas Essbarem zu suchen. Wir sind ungefähr 20x schneller wieder unten, als oben… und leben noch. 😀
Das Schönste am Reisen: Die kulinarischen Pausen
Wir entscheiden uns für deftige Schnitzel, bei denen man sich jede Komponente von Panade (u.a. Cornflakes, Parmesan, Mandel, Sesam) über Inhalt (u.a. Hähnchen, Gemüse, Hirtenkäse) bis hin zur Soße (u.a. Hollandaise, Rahm, Bombay) aussuchen kann.
Der historische Stadtkern von Detmold ist wirklich schön und man sieht tolle Fachwerkhäuser und historische Gebäude. Überall sitzen Menschen und lassen den Abend gemeinsam mit Freunden ausklingen.
Als wir abends wieder im Hotel eintreffen, ist der Fahrradabstellraum schon ordentlich mit Rädern gefüllt und wir freuen uns, dass viele Gleichgesinnte unterwegs sind. Nun geht’s aber erst einmal ins Bett, damit wir fit für unseren erste langen Fahrradtag sind.
Die zweite Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Schon wieder Höhenmeter
Heute geht es so richtig los und wir haben knapp 50 Kilometer bei bestem Wetter vor uns. Uns erwarten idyllische Landschaften, ordentlich Höhenmeter auf kurzer Strecke und ein beeindruckendes Naturdenkmal.
Immer wieder geht es aufwärts und wir überwinden über kürzere, aber teils auch längere Strecken einige Höhenmeter. Mit meinem E-Bike lassen sich auch 12,5% Neigung leicht überwinden, aber für meinen Bio-Biker wird diese eine Steigung zum Kampf und er kommt bei den heutigen 30 Grad nassgeschwitzt oben an.
Wir haben Detmold mittlerweile verlassen und sind an Kilometer 19 in Horn-Bad Meinberg angekommen. Hier erwartet uns eins meiner Highlights der Reise.
Mystisches Naturdenkmal
Bereits beim Draufzulaufen erstaunt dieses Naturdenkmal mit seinem Ausmaß. Die Externsteine sind eine riesige Felsformation, um die sich viele Mythen ranken. Bevor wir in diese mystische Welt eintauchen, können wir kostenfrei gegen Pfand (z.B. Personalausweis) unsere Taschen verstauen. Schlüssel für die Schließfächer erhältst du im Infozentrum, wo auch eine kleine interaktive Ausstellung (Eintritt frei) ist, in der du unter anderem erfährst, wie die Externsteine überhaupt entstanden sind.
Ich entdecke einen Hängesessel an einem riesigen Baum und setze mich hinein. Im Hintergrund spielt ein Mann mittelalterliche Melodien auf einer Flöte und ich fühle mich wie in einer anderen Welt.
Die gesamte Anlage hier ist eine eigene und mystische Welt mit vielen Rätseln. Auf den Externsteinen zum Beispiel, finde ich dieses kleine Runde Fenster und davor eine Art Altar auf dem kleine Gaben liegen. Durch dieses Loch soll zur Sommersonnenwende der Aufgangspunkt der Sonne scheinen.
Es ist angenehm leer hier oben und ich sitze für eine ganze Zeit auf einem Stein und genieße den Ausblick bei leichtem Wind. Ich könnte noch ewig hier sitzen, aber wir müssen ja weiter. Insgesamt haben wir zwei Stunden auf dem Gelände und den Externsteinen selbst verbracht und daher solltest auch du mindestens eine Stunde einkalkulieren.
Wir freuen uns, dass es jetzt erst einmal durch den Wald geht, wo wir etwas der heißen Sonne entgehen können. Die Höhenmeter, die wir zu den Externsteinen hoch sind, fahren wir nun erleichtert wieder runter.
Die Lippequelle
Normalerweise radelt man bei Flussradwegen immer von der Quelle bis zur Mündung. Die Römer-Lippe-Route hingegen beginnt wegen des römischen Themas bereits am Hermannsdenkmal und man trifft erst in Bad Lippspringe auf die Quelle.
Späterer Einstieg in die Route bequemer?
Es gibt Menschen, die aufgrund der Höhenmeter überlegen, erst nach den Externsteinen in die Römer-Lippe-Route einzusteigen, da dies natürlich eine Möglichkeit ist (insbesondere bei gesundheitlichen Problemen) und sich die Quelle in Bad Lippspringe natürlich anbietet. Allerdings fand ich sowohl das Hermannsdenkmal, aber vor allem die Externsteine so beeindruckend, dass ich mich geärgert hätte, wenn ich sie nicht mit auf der Reise gesehen hätte und möchte dir daher ans Herz legen, diese beiden Sehenswürdigkeiten nicht auszulassen.
Pa Pa Paderborn, da hab‘ ich mein Herz verlor’n
Wir sind mittlerweile in Paderborn angekommen, unserem heutigen Etappenziel. Man merkt, dass wir in einer Großstadt sind und es gibt viel zu sehen. Kultur, Shopping und natürlich die Pader. Aus über 200 Quellen entspringt die Pader in der Innenstadt und man radelt ein ganzes Stück an ihr entlang.
Bei unserem schönen Wetter heute befinden sich die Menschen nicht nur neben der Pader, sondern auch darauf. Allerdings scheint dieses hochgelobte Wetter gerade etwas zu kippen. Wir essen noch etwas in der Innenstadt und machen uns dann auf den Weg ins Hotel, um unsere Etappe zu beenden.
Dritte Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Wo ist die Sonne???
Ähem, wieso ist denn jetzt der Himmel so grau? Und kühler ist es auch… Egal, Hauptsache trocken! Wir radeln los und sind schon bald in Delbrück.
In Delbrück werden wir wieder thematisch zu den Römern entführt. Das Römerlager Anreppen zählt zu den wichtigsten frührömischen Denkmälern in Deutschland.
Neben der kleinen Informationshütte kannst du dir die ehemalige Militärstätte durch eine Sichtbarmachung der Lagergräben und einiger Lagerstraßen anschauen.
Darf bei keiner Radreise fehlen: Regen
Bereits am Römerlager machen uns die immer dunkler werdenden Wolken Angst und wir radeln schnell los, um weg von den vielen Feldern zu kommen. Und dann der Klassiker: Es fängt richtig an zu regnen.
Nix geht mehr. Wir werden so stark vom Regen erwischt, dass wir innerhalb von wenigen Minuten komplett nass sind. Wir haben es nicht einmal mehr geschafft unsere Regenkleidung überzuziehen. Am Wegesrand finden wir eine kleine Unterstellmöglichkeit, die wir nutzen, um alle nassen Klamotten auszuziehen und in trockene zu wechseln (wie praktisch, wenn man sein Gepäck immer dabeihat). Darüber dann die Regenkleidung und wir können bei leichterem Regen weiterradeln.
Nach Regen kommt Sonnenschein
Endlich sind wir an unserem heutigen Etappenziel Lippstadt angekommen und werden für unser Durchhaltevermögen im Regen mit Sonnenschein belohnt. Während einer kleinen Pause im Grünen Winkel, versuchen wir wenigstens ein bisschen unsere Jacken in der Sonne trocknen zu lassen.
Im Hotel beziehen wir ein Zimmer, was nicht nur einen wunderschönen Ausblick auf die große Marienkirche und die Lippe mit Mühlenrad im hoteleigenen Biergarten hat, sondern dessen Fenster samt Geländer wir auch super zum Trocknen unserer Kleidung nutzen können 😊.
Nach einem kleinen Spaziergang durch die wirklich tolle Stadt gehen wir noch etwas essen (es gibt einige tolle Restaurants hier, zum Beispiel das Schankhaus Diva, hier musst du unbedingt auch einmal in den oberen Etagen gucken gehen, da es viele verschiedene gemütliche Sitzecken gibt) und sind dann völlig erschöpft einfach durch mit dem Tag, sodass wir recht früh wieder zurück ins Hotel gehen. Morgen wird bestimmt ein schönerer Wettertag…
Vierte Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Here comes the rain again
Das kann doch nicht wahr sein. Es hat die ganze Nacht durchgeregnet und wir starten nach einem ausgiebigen und leckeren Frühstück erneut in Regenkleidung in den Tag. Das Wetter der heutigen Nacht wird noch einen großen Einfluss auf unsere Reise haben…
Bereits auf den ersten Kilometern wird uns bewusst, wie stark es heute Nacht wirklich geregnet hat. Wir passieren Stellen, an denen unser Weg überschwemmt ist und da wir noch früh dran sind, konnte noch nicht einmal die Sperrschranke geschlossen werden.
Die Lippe hat eine starke Strömung und ist braun vom aufgewühlten Schlamm. Da das Wetter heute immer wieder von Sonne zu Regen wechselt, wird unsere Tour nun vom stetigen Checken des Regenradars begleitet.
Wir sind mittlerweile in Lippetal angekommen und haben auf dem Weg hierhin einige Beobachtungspunkte für die renaturierten Naturschutzgebiete entlang der Strecke gesehen. Solche Aussichtspunkte findet man an der Römer-Lippe-Route an vielen Stellen und man erhält tolle Blicke in die Natur. Am Wasserschloss Hovestadt prüfen wir nochmals den Regenradar und beschließen schnell weiterzufahren, um eine Regenpause in einem Café im kleinen Örtchen einzulegen.
Nach der erzwungenen Regenpause radeln wir sehr ländlich durch Felder und irgendwie ist jetzt der erste Moment, an dem sich die Strecke anfängt zu ziehen. Haben wir bisher einfach schon zu viel erlebt, sind wir bereits zu viele Kilometer geradelt, schlägt das Wetter aufs Gemüt? Vielleicht eine Kombi aus allem? Wir wissen es nicht und unsere Motivation sinkt.
Lippefähre, Glaselefant und hinduistischer Tempel
Mittlerweile sind wir in Hamm und somit im Ruhrgebiet angekommen. Hier verfolgt uns wieder einmal der Starkregen der letzten Nacht, denn unsere erste Lippefähre ist gesperrt. Och nööö, darauf habe ich mich doch am meisten gefreut, denn an der Römer-Lippe-Route kannst du eigentlich an vier Stellen die Lippe mit kleinen Fähren überqueren.
Angetrieben werden diese Fähren von dir und deiner Muskelkraft selbst, durch Ketten, Kurbelräder usw. Leider ist heute die Strömung zu stark für die Fähre, aber damit du siehst, wie eine solche Fähre aussieht, habe ich dir hier ein Archivbild rausgekramt.
Es ist später Nachmittag und dass der Maxipark gleich schließt, nehmen wir zusätzlich zu dem Fakt, dass ich bereits mehrfach hier war, dankend als Ausrede dafür, dass wir den Glaselefanten leider nicht mehr besuchen können 😉 (mal wieder ein Archivbild). Auch den größten Hindu-Tempel außerhalb Indiens haben wir uns geklemmt, da ich bereits mehrfach dort war. Du musst dort aber auf jeden Fall hin, er liegt nur wenige hundert Meter von der Route entfernt und ist ausgeschildert. Der Tempel darf ausdrücklich besichtigt werden und auch hier füge ich dir ein Bild aus dem Archiv ein.
Du siehst, wir sind völlig durch, aber hey:
Es ist Halbzeit – Motivation, bitte komm‘ wieder!
Es hat zwar aufgehört zu regnen, aber alles ist nass und wir haben keine Lust mehr, sodass jetzt gilt: Augen zu und durch. Trotz der erreichten (quasi Halbzeit) Kilometertafel, treten wir jetzt nur noch in die Pedale und radeln stumpf durch.
Aber jetzt folgt die Belohnung für unser Durchhaltevermögen heute und der Power-Kick für unsere Motivation. Wir erreichen unsere Highlight Etappenübernachtung im Pier 9 Tiny House Hotel.
Kleines Haus als kleine Belohnung
Es war zu erwarten und hat sich bestätigt: Das Tiny House in Hamm ist wirklich unser außergewöhnlichstes Etappenziel. Auf einem kleinen Areal stehen zehn dieser kleinen Häuschen in unterschiedlichen Farben und Formen. Jedes Tiny Haus hat ein bestimmtes Thema (u.a. maritimes Strandhaus, urige Waldhütte, luxuriös mit Wellness, industrial Style) und sind alle individuell und sehr liebevoll gestaltet.
Da das Haus „Lippe“, was perfekt zu unserer Reise gepasst hätte, bereits belegt war, übernachten wir heute in der „Wupper“. Die Häuschen sind echte Raumwunder und wir haben neben Bad und einem Couchbereich auch eine kleine Theke zum Sitzen gegenüber der Küchennische.
In der oberen Etage befindet sich dann das Bett und man muss zugeben, dass man hier nicht zu schnell aufstehen, sondern den Oberkörper behutsam aufrichten sollte, um einer Kopfnuss vorzubeugen. Toll finde ich, dass fast alle Fenster fest installierte Fliegengitter haben und man diese bedenkenlos geöffnet lassen kann.
Die Innenstadt ist mit dem Fahrrad in fünf Minuten zu erreichen und so besorge ich uns etwas Sushi, was wir an unserer kleinen Theke zu uns nehmen. Danach fläzen wir uns in die gemütliche Lounge außen, genießen ein leckeres Getränk mit Knabbereien und lassen den doch anstrengenden Tag Revue passieren.
Fünfte Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Welcome back, Sunshine
Nach einer echt entspannten Nacht trinken wir einen Kaffee auf unserer kleinen Terrasse, um danach voll motiviert in die neue, endlich wieder sonnige Etappe zu starten.
Von Hamm aus geht es fast parallel zur Lippe am Datteln-Hamm-Kanal entlang ins kleine Werne, ein niedliches Städtchen mit Fachwerkhäusern, Marktplatz und Gradierwerk.
Weiter radeln wir dann nach Bergkamen, wo wir wieder an das eigentliche Thema unserer Radreise erinnert werden. Wir kommen am Römerpark Bergkamen an.
Hier radelst du automatisch vorbei und erkennst den kleinen Park an der Holz-Erde-Mauer. Auf dem Gelände gibt es noch viele kleine Plätze zu römischen Themen zu entdecken, schau dir dazu gerne einmal meine Videos an.
Auch weiter auf der Strecke begegnen uns immer wieder thematische Bezüge zu den Römern. Infotafeln, Relikte am Straßenrand und natürlich die Schilder mit unseren bewältigten Radkilometern.
Wohingegen das Wasser in der Marina Rünthe in Bergkamen blau erstrahlt, erschreckt uns die Lippe in Lünen wieder mit der verschlammten braunen Farbe. Der Wasserpegel steht so hoch, dass man das Ende der Treppenkaskade mit ihren Sitzgelegenheiten nicht sehen kann. Wir nähern uns unserem heutigen Etappenziel Selm und ich freue mich besonders, hier eine alte Freundin zu treffen und mit ihr gemeinsam etwas trinken zu gehen.
Sechste Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Heute mal etwas Abwechslung zum Fahrrad
Heute haben wir uns etwas Besonderes vorgenommen und bangen morgens noch, ob uns auch hier das Hochwasser einen Strich durch die Rechnung macht. Dieser blöde Starkregen an unserem zweiten Tag hat echt für Chaos bei unserer gesamten Planung gesorgt.
Unsere heutigen Lippefähren in Haltern am See und später in Dorsten fahren jedenfalls genau wie die Fähre vor zwei Tagen in Hamm schon mal nicht. Deshalb hier nochmal Archivbilder, damit du dir die Fähren besser vorstellen kannst.
An unseren Rädern merkt man die gefahrenen Kilometer und wir füllen zwischendurch mal etwas Luft nach. Das tun wir in Jupp‘s Erlebnisbiergarten in Haltern am See, den du dir unabhängig von der Fahrradwerkzeugstation anschauen solltest. Hier gibt es in jeder Ecke etwas zu sehen, einen Brezelautomaten, Sitzgelegenheiten in Gondeln und kleinen Hütten, Modeleisenbahn usw.
Der Klassiker: Reparaturpause
Ok, mit der Luft war es nicht getan und wir legen einen kleinen Stopp in der Radstation Haltern am See ein. Die Kette knarkst, den Reifen ziert eine Acht und da wir noch einige Kilometer vor uns haben, lassen wir das lieber mal beheben. Ein netter Mitarbeiter kümmert sich kurzfristig um unser Fahrrad und danach geht es glücklich weiter (herzliche Grüße und nochmals danke an die Radstation). Man merkt nun noch mehr, dieser kleine Zwischenstopp war mehr als nötig.
Wenige Kilometer weiter wartet die nächste Radpause auf uns. Wir kommen am LWL-Römermuseum an und verstauen erst einmal unsere ganzen Taschen und Helme, um uns ganz gemütlich alles im Museum angucken zu können. Per App wird die Ausstellung interaktiv und im Anschluss geht es noch raus auf das Freigelände, wo wir die Römerbaustelle Aliso erklimmen.
Auf statt immer nur neben der Lippe
Nun konnten wir aufgrund des Starkregens ja bereits drei der vier Fähren nicht nutzen, deshalb unternehmen wir heute eine kleine Alternative, um doch noch AUF die Lippe zu kommen. Von Dorsten bis Schermbeck, unserem heutigen Etappenziel, werden wir die Strecke per Kajak bewältigen.
Für solche Touren gibt es entlang der Lippe einige Anbieter und wir haben einen gefunden, der uns netterweise die Räder und das Gepäck von unserem Einstiegs- zum Ausstiegspunkt bringt, während wir auf unserer Lippetour sind. Das Wetter ist herrlich und der hohe Pegelstand stört uns mit unserem Kajak endlich einmal nicht.
Die Tour dauert so ungefähr zwei Stunden und je später es wird, desto ruhiger wird auch die Lippe. Das stille Wasser, die immer tiefer stehende Sonne und die Ruhe um einen herum sind nach den vielen Radkilometern eine Belohnung und etwas ganz Besonderes. Uns geht es nicht ums schnelle Vorankommen, sondern gerade vielmehr um das Genießen dieses wunderschönen Moments. Nach dieser schönen Zeit radeln wir völlig entschleunigt die wenigen Kilometer bis zu unserem Hotel und sind glücklich mit dem erlebten Tag.
Siebte und letzte Etappe auf der Römer-Lippe-Route: Endspurt!
Wir sind fit und freuen uns sehr auf die letzte Etappe. Im kleinen behaglichen Schermbeck starten wir unsere Tour bei strahlendem Sonnenschein und sind schnell in Hünxe. Ich war schon oft hier im historischen Ortsteil Krudenburg, aber noch nie zu Zeiten, an denen die kleine Dudelbude geöffnet hatte.
Tja und was soll ich sagen, wenn sich solch eine Gelegenheit ergibt, müssen wir natürlich einfach eine kühle Radler-Pause machen (doppeldeutig 😉), egal wie spät es erst ist. Also ein Prosit auf den schönen Morgen.
In Wesel wird es wieder lebendiger und nachdem die Marktstände den Platz geräumt haben, setzen wir uns mit einem Eiskaffee in die Sonne mit Blick auf den Willibrordi-Dom.
Nach der Lippemündung in den Rhein wechseln wir über eine große Brücke auf die andere Rheinseite.
So lebendig Wesel in seiner Innenstadt ist, so ländlich und natürlich ist es in seinen Außenbezirken. Auf dem Weg zur Bislicher Insel stehen bereits sehr viele Fotografen mit Teleobjektiven aneinandergereiht, um die Tierwelt zu fotografieren.
Hier suhlen sich nämlich gerade asiatische Wasserbüffel im Schlamm und das scheint etwas ganz Besonderes zu sein. Mit deinem Rad kannst du übrigens durch die Bislicher Insel fahren und findest ruhige Ecken und Aussichtspunkte, wo du weitere Tiere beobachten kannst.
In Xanten angekommen genießen wir das schöne Wetter und lassen den Abend bei einem Cocktail an der Xantener Südsee am Plaza del Mar ausklingen. Heute übernachten wir im Nibelungen Hof und hier empfehle ich dir unbedingt im angeschlossenen vietnamesischen Restaurant „PAPA MI“ zu essen, so lecker!
Während des Essens ist uns übrigens aufgefallen, dass wir unser obligatorisches Abschlussfoto an der letzten Kilometertafel vergessen haben. Und da diese nur wenige Kilometer entfernt ist, holen wir das natürlich am nächsten Morgen noch nach.
Achter Tag: Abreise (wieso sind wir nicht einfach mit der Bahn gefahren?! :D)
Da waren wir bei der Planung aber motiviert und werden die Rückreise mit dem Rad antreten, denn was sind schon 50 Kilometer nach dieser ganzen Tour?! Am Morgen sieht das dann aber doch ganz anders aus und wir wechseln noch vorm Start von der schönsten auf die schnellste Route… und auch die zieht sich wie Kaugummi. Was haben wir uns denn bitte dabei gedacht, nach so vielen Tagen mit knapp 300 Radkilometern noch weitere 50 nach Hause zu radeln? In der Theorie klang das ganz einfach, aber in der Realität ärgern wir uns. Die Route ist nicht schön und führt meistens an Straßen entlang (da sind wir jetzt durch die Radreise natürlich sehr verwöhnt mit den vielen schönen Landschaften) und sie endet auch nicht. Nach vielen Stunden und mit schlechter Laune erreichen wir dann endlich unser Zuhause und es geschieht folgendes: Die Laune kippt schlagartig von „kein Bock mehr“ in „Waaaaahnsinn, was haben wir hier geschafft?! Was haben wir alles gesehen und erlebt?!“. Euphorie und Glück machen sich breit, aber auch Erleichterung.
Fazit: Machen! Nicht nur überlegen, sondern in die Tat umsetzen!
Wir sind uns einig, dass dieser Urlaub wunderschön war und blicken auch heute noch mit genau diesem Gefühl zurück. Eine Radreise bedeutet für mich Abenteuer, Aktivität, Natur und Entschleunigung. Eine perfekte Kombination aus diesen Eigenschaften. An der Römer-Lippe-Route haben mir besonders die großen Sehenswürdigkeiten wie Hermannsdenkmal und Externsteine gefallen, aber auch die extrem vielen schönen Landschaften und Naturerlebnisse. Die Strecke führt dich nicht so oft am Wasser entlang wie zum Beispiel am RuhrtalRadweg (was meist auf die vielen Naturschutzgebiete zurückzuführen ist), aber genau das fand ich besonders schön. Es sind eben nicht nur 300 Kilometer am Wasser entlang, sondern auch durch viele kleine Örtchen und ich liebe es durch Ortschaften zu radeln und zu sehen, wie die Menschen hier so leben. Jedes Mal überkommt mich dann ein wohliges Gefühl von „hach wie schön, hier ist die Welt noch in Ordnung“. Das Thema der Route hat mich sehr überrascht, da es sich wie ein roter Faden durch die gesamte Strecke zieht und auch für Menschen wie mich, die gar nicht so interessiert daran sind, echt informativ ist. Sehr toll waren natürlich die begleitenden Kilometerschilder, bei denen uns immer wieder unser Streckenfortschritt vor Augen geführt wurde. Das Highlight der Römer-Lippe-Route sind natürlich die Lippefähren, auch wenn wir sie leider nicht nutzen konnten. Sie schaffen Abwechslung und besondere Erlebnisse.
Ich kann dir wirklich nur raten, dich selbst aufs Rad zu schwingen und einen Radurlaub zu verbringen! Die Römer-Lippe-Route eignet sich dafür jedenfalls perfekt, da sie eine gute Mischung aus Radfahren und Erlebnis ist.